Weit über einhundert Jahre ist der Schwarzwaldverein Zavelstein alt, eine beachtliche Zeitspanne. Unsere Welt, unser Leben haben sich in dieser Zeit stärker verändert als in den Jahrhunderten zuvor. 1905 hatten Autos noch einen vielbestaunten Seltenheitswert. Wenige Wagemutige versuchten mit klapprigen Kisten vom Boden loszukommen und den alten Menschheitstraum vom Fliegen zu erfüllen. Das Königreich Württemberg mit Zavelstein, seiner kleinsten Stadt, wurde vom allseits geschätzten König Wilhelm II. regiert, der beim sonntäglichen Spaziergang mit seinem Hundle in den Straßen Stuttgarts nach dem „Grüß Gott Herr König“ der Passanten seinen Hut lüpfte und zurückgrüßte. Eine Leibwache war nicht nötig. Württemberg gehörte, nachdem 1871 das 2. Kaiserreich unter preußischer Führung gegründet worden war, zum Deutschen Reich, das eine stabile Position als europäische Macht einnahm. Auch im Innern war 1905 eine Phase von zunehmendem Wohlstand ohne wesentliche Konflikte eingekehrt. Allerdings ging damit auch eine gesellschaftliche Erstarrung mit Überbetonung von formalen, bürgerlichen Verhaltensregeln und einer fast kultischen Militärverherrlichung einher. Als Gegenströmung versuchten große Teile der Jugend aus der bürgerlichen Enge auszubrechen und schlossen sich der Wandervogelbewegung an, die – besonders in Württemberg – in breiten Gesellschaftsschichten fruchtbare Boden fand.
1884 war die Gründung des Württembergischen Schwarzwaldvereins in Stuttgart maßgeblich durch Honoratioren der Oberamtsstädte Calw, Nagold, Freudenstadt, Neuenbürg und Oberndorf erfolgt, aus Bad Teinach war Hofrat Dr. Wurm beteiligt. Vereinsziel war vor allem die Hebung des Fremdenverkehrs, doch gehörte auch das Wandern zu den Hauptanliegen der Gründer. Nachdem 1902 in Bad Teinach eine Schwarzwaldvereinsgruppe gegründet wurde, war 1905 auch in Zavelstein die Zeit reif. Vor allem, da dem Bad Teinacher Schwarzwaldverein durch die Pacht der Burgruine seit 1903 erkleckliche Einnahmen aus den Turmbesteigungen zuflossen. Mit der Betreuung der Burgruine – die zunächst gemeinsam mit der Teinacher Gruppe erfolgte – verbindet sich seit der Vereinsgründung ein hohes Maß an Engagement für Pflege und Erhalt vom „Städtle“ Zavelstein. Über viele Jahre waren Kommunalverwaltung und Schwarzwaldverein fast untrennbar miteinander verzahnt: Vereinsvorsitz und Schultheißen-Amt lagen lange Zeit in einer Hand und es verstand sich von selbst, daß die Vereinseinnahmen auch für Gemeindeaufgaben verwendet wurde.
Während der beiden Weltkriege 1914 – 18 und 1939 – 45 lag das Vereinsleben darnieder. Auch die Zavelsteiner hatten andere Sorgen. Aber schon bald nach Ende der beiden Kriege fanden sich Vereinsmitglieder wieder zusammen. Da die französische Besatzungsmacht zunächst jede Vereinstätigkeiten verboten hatten, musste 1948 eine Neugründung des Vereins erfolgen, wozu die Genehmigung der französischen Militärverwaltung erforderlich war. Die Betreuung der Burgruine war 1945 von der Gemeinde übernommen worden, ab 1949 wurde sie erneut vom Schwarzwaldverein Zavelstein betreut.
Abgesehen von der Gestaltung umfangreicher Wanderprogramme wurde der Verein auch immer wieder der Träger bürgerlichen Engagements zu Erhalt und Ausgestaltung vom Städtle Zavelstein. So stellte er 1980 eine historische Mostpresse beim Feuersee auf. 1984-86 erfolgt unter Beteiligung zahlreicher Nicht-Vereinsmitglieder die Restaurierung des vom völligen Zerfall bedrohten einzigen Wehrturms an der Nord-Ost-Seite der Stadtmauer, was zu einer Auszeichnung als „Vorbildliche kommunale Bürgeraktion“ durch das Land Baden-Württemberg führt. Von 1989 – 91 hob man den verschütteten 2. Burggraben aus, setzte die angrenzende Stadtmauer wieder auf und restaurier den Zugang zur Burg. Nach jahrelangen Vorarbeiten konnte im Frühjahr 2000 das im alten Schul- und Rathaus eingerichtete Museum „Zavelstein … im Gang der Zeiten…“ eingeweiht werden. Eine Fülle von kleineren und größeren Projekten schloss ich an.
Mehr als hundert Jahre Schwarzwaldverein Zavelstein, Liebe zu Heimat und Natur, Wandern und Pflege von Wanderwegen, Betreuung unserer romantischen Burgruine, Pflege von Geselligkeit und Gestaltung froher Feste! Als unersetzlich hat sich der Verein für heimatpflegerische Aufgaben und kommunales Engagement erwiesen. Und – zwangsläufig drängt sich die Frage auf – wie mag es wohl weitergehen mit dem Traditionsverein? Die Altersverteilung der heutigen Vereinsmitglieder zeigt ein Übergewicht bei den älteren Jahrgängen. Die Neigung junger Menschen, den Verein mit seinen unverändert aktuellen Schwerpunkten weiterzutragen, scheint derzeit eher verhalten zu sein. So sehen wir nicht ganz ohne Sorgen, jedoch auch mit Hoffnung und Zuversicht der Zukunft unseres Zavelsteiner Schwarzwaldvereins entgegen, der in seiner weit über hundertjährigen Geschichte schon erheblich schwierigere Zeiten als die gegenwärtigen überstanden hat. Er möge leben, wachsen und gedeihen!
Klaus Pichler
Mehr Details unter: Vereinsgeschichte
Bild: Zur Verfügung gestellt von Klaus Pichler